Bericht zur Fachtagung in Bonn
NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V. hat am 11.10.2025, gemeinsam mit der Evangelischen Akademie Rheinland und Evangelischen Stiftung für Migrationsarbeit, einen Studientag zum Thema Syrien durchgeführt.
An der Veranstaltung mit dem Titel „Syrien am Scheideweg – Herausforderungen und Perspektiven“ nahmen über 100 Personen teil, die meisten Teilnehmer an der Präsenzveranstaltung im Tagungsraum im Haus der Evangelischen Kirche in Bonn, weitere waren online zugeschaltet.
Syrien ist seit über zehn Jahren vom Krieg gezeichnet. Gewalt, Zerstörung, Flucht und politische Unterdrückung haben das Land geprägt. Viele, auch Geflüchtete hier in Deutschland, hoffen auf ein freies, demokratisches und gerechtes Syrien. Aber die Zweifel sind groß, ob es einen echten Wandel zum Besseren gibt.
Der Übergangspräsident, Ahmed Al-Sharaa, war früher Mitglied einer Terrororganisation. Seine Miliz HTS gilt als Nachfolgerin der Al-Nusra-Front. Es besteht die Gefahr, dass die Islamisten künftig die Oberhand in Syrien gewinnen.
Syrien ist ein vielfältiges Land. Es leben dort Menschen verschiedener Religionen und Ethnien. Bisher aber setzt die Übergangsregierung auf Zentralisierung. Die letzten Monate waren von Gewalt geprägt – auch gegen Alawiten und Drusen. An den Massakern waren auch Truppen der HTS beteiligt. Und in den letzten Tagen gab es gewaltsame Auseinandersetzungen in Aleppo.
Auch das neue politische System wirft Fragen auf. Die Übergangsverfassung gibt dem Präsidenten große Macht. Die jüngsten Wahlen waren nicht frei. Einige Regionen sind ausgeschlossen: z.B. Suweida im Süden und der die kurdischen Siedlungsgebiete im Norden. Dort gab es keine Wahlen. Ihre Sitze im Parlament bleiben leer.
Im Norden hält die Türkei weiter völkerrechtswidrig kurdische Gebiete besetzt – darunter Afrin, Girê Sipî und Serêkaniye.
Verschiedene Expertinnen und Experten, Journalisten, Wissenschaftler beleuchteten aus unterschiedlichen Perspektiven diese Fragen. Auch auf die Situation der verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Syrien wurde detailliert eingegangen und ebenso auf die Rolle der Nachbarstaaten und der internationalen Gemeinschaft.
In den Diskussionen wurde deutlich, dass das Thema sehr komplex ist. Die Menschen in Syrien hoffen auf eine Gesellschaft, in der Recht über Willkür, Dialog über Gewalt und Gleichberechtigung über Unterdrückung stehen. Es wird entscheidend sein, dass die unterschiedlichen Akteure in Syrien, die für Menschenrechte und ein säkulares, pluralistisches und ein Syrien mit dezentralen Strukturen eintreten, gemeinsam fest zusammenstehen, um den Wandel in diesem Sinne zu gestalten. Diese Veranstaltung war die erste in Deutschland, mit der ein solcher gemeinsame Schulterschluss initiiert wurde.