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Schwer gefoltert:
Kurdischer Bürgermeister zur ärztlichen Behandlung in Deutschland

Der ehemalige Bürgermeister von Silopi, Levent Taysun (56), befindet sich momentan in Deutschland im Krankenhaus, nachdem er in der Türkei schwer gefoltert wurde: Unter anderem wurden ihm mehrere Zähne ausgeschlagen und die Adern der Zunge so durchtrennt, dass sie seither gelähmt ist. Insgesamt wird sein Gesundheitszustand als äußerst kritisch bewertet.

Herr Taysun war, mit nur kurzer Unterbrechung, seit 1984 gewählter Bürgermeister der ca. 30.000 Einwohner zählenden Kreisstadt Silopi, nahe der Grenze zum Irak. Sein Einsatz für die Rechte der kurdischen Bevölkerung machte ihn zur Zielscheibe der türkischen Sicherheitskräfte. Schließlich wurde er Mitte 1992 – wegen angeblicher Unterstützung der PKK – mit vier Söhnen, fünf Brüdern und weiteren 25 Verwandten verhaftet. Im Mai 1993 wurde er durch den türkischen Innenminister vom Dienst suspendiert. Während der 31-tägigen Untersuchungshaft wurde Levent Taysun mehrfach schwer gefoltert, seitdem muss er sich ständig in ärztliche Behandlung begeben. Levent Taysun ist kein Einzelfall. An seinem Schicksal wird deutlich, wie gerade Menschen, die das besondere Vertrauen der kurdischen Bevölkerung haben und sich im Rahmen legaler Möglichkeiten für eine demokratische Lösung der Kurdenfrage einsetzen, unter dem Vorwand angeblicher Unterstützung der „Separatisten“ bedroht. gefoltert und – in seinem Fall – im Sinne des Wortes zum Schweigen gebracht werden.

Herr Taysun berichtet:

„Mit verbundenen Augen wurde ich verhört, beleidigt, erniedrigt und bedroht. Ich wurde gezwungen, mit verbundenen Augen das Protokoll der Vernehmung zu unterschreiben. Tagelang blieb ich ohne Wasser und Essen, hatte Rauchverbot usw. Teilweise zweimal täglich wurde ich gefoltert, indem man mich mit eiskaltem Wasser aus Hochdruckschläuchen beschoss, dann an die Heizung stellte, und nochmals mit Hochdruck beschoss. Ich erhielt Fußtritte und Schläge mit Gummiknüppeln, auch ins Gesicht. Mein ganzer Körper schmerzte, mein Gesicht war stark geschwollen, und ich konnte nichts mehr sehen. Einige Zähne wurden mir ausgebrochen, acht weitere Zähne wurden mir auf dem Sicherheitsamt gewaltsam gezogen. Ich konnte nicht mehr reden. Mein ganzes Gesicht war betäubt, meine Zunge funktionierte nicht mehr, Wasser floss aus meinem Mund. Ich wurde aus der Untersuchungshaft in das Gefängnis von Elazig verlegt, obwohl der Gefängnisarzt bereits eine gründliche ärztliche Untersuchung angeordnet hatte und ich in Ankara von einem neurologischen Spezialisten untersucht werden sollte. Dies wurde aus Sicherheitsgründen abgelehnt. Außerdem wurden mir mehrere Male Elektroschocks an verschiedenen Körperstellen versetzt, vor allem an den Geschlechtsteilen, am rechten großen Zeh, am rechten Daumen, an den Ohren und den Zähnen. Mit einer Kette wurde ich nackt an beiden Händen aufgehängt, sodass meine Zehen gerade noch den Boden berührten. Sechs Stunden lang blieb ich so hängen, manchmal wurde ich mit kaltem Wasser beschossen. Mein Oberkörper war seitdem wie gelähmt. Die restliche Zeit musste ich in einer 1 qm-Zelle eingesperrt verbringen. Unter diesen Bedingungen habe ich 25 kg abgenommen.

Während meiner Untersuchungshaft wurde ein Neffe von mir, Hüseyin Taysun, ohne einen Grund und ohne Warnung von der Polizei erschossen. Von meiner Familie befinden sich noch 33 Personen in Haft, unter ihnen mein Sohn Kemal Taysun und mein Bruder Mehmet Taysun. Es droht ihnen die Todesstrafe. Obwohl wir keine PKK-Anhänger sind, werden wir dessen beschuldigt. Der Fall meiner Familie ist einer von mehreren, die in Kurdistan sehr häufig vorkommen. Das ist ein Teil des schmutzigen Krieges des türkischen Staates gegen unser Volk. Jeden Tag werden Menschen unter dem Vorwand des „Terrorismus“ festgenommen, gefoltert und ermordet. In meinem Fall setzt der Staat die Bedrohung und Unterdrückung fort. Unser Leben ist nicht mehr sicher. Allein aufgrund meiner Äußerungen hier kann sich jeder von Ihnen vorstellen, was mich im Falle einer Rückkehr erwartet.

Wenn in einem Land die Zunge eines Bürgermeisters, der demokratisch vom Volk gewählt worden ist, abgeschnitten wird, um damit seinen Kontakt zur Außenwelt abzuschneiden, wenn der Staat versucht, dem Volk seinen Willen mit terroristischen Methoden aufzuzwingen, wenn er die Existenz von 20 Millionen Kurden leugnet, und wenn er dies bislang mit Hilfe der europäischen Länder tun kann, so fordere ich Europa auf, seine bisherige Politik zu überdenken und sich für die Rechte des kurdischen Volkes einzusetzen. Man kann sich das Ausmaß des Genozids am kurdischen Volk gar nicht mehr vorstellen. Ich appelliere an dieser Stelle erneut: Wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, erwartet das kurdische Volk während der nächsten Monate im Norden das gleiche Schicksal, das die Bevölkerung in Südkurdistan erleiden musste. Ich appelliere an die deutsche Öffentlichkeit und Presse, mehr Sensibilität in der kurdischen Nationalfrage und gegenüber dem Massaker am kurdischen Volk zu zeigen. Mein Fall ist ein Beispiel dafür, was Hunderten, vielleicht Tausenden Unschuldigen widerfährt, die sich für eine friedliche Lösung der Kurdenfrage einsetzen.“

Kurdistan heute Nr. 10, Mai/Juni 1994

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